Im Zuge des Pariser Abkommens haben sich zahlreiche Industrieunternehmen dazu verpflichtet, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Obwohl die direkten Emissionen (Scope 1) sowie die durch den Energieverbrauch verursachten Emissionen (Scope 2) noch nicht vollständig abgedeckt sind, rückt zunehmend eine weitere Herausforderung in den Fokus: die Emissionen aus Scope 3. Diese umfassen alle indirekten Emissionen, die nicht in Scope 1 und 2 enthalten sind, insbesondere solche, die entlang der Lieferkette entstehen (Lieferanten, Transportunternehmen, Händler usw.).
Tatsächlich gehen die Herausforderungen der Dekarbonisierung weit über die eigenen Betriebsstätten der Hersteller hinaus: Die Reduktion der Scope-3-Emissionen ist ein neuer Abschnitt mit dem Ziel der globalen Optimierungen, die einen weitreichenden Erfolg entlang der gesamten Wertschöpfungskette erzeugen soll.
Scope 3 steht insbesondere in der produzierenden Industrie im Fokus, da dieser häufig den größten Anteil an der CO2-Bilanz der Produkte ausmacht. 92 % der von Unternehmen an das Carbon Disclosure Project (CDP) gemeldeten Emissionen entfallen auf Scope 3. Aufgrund des Umfangs und der Komplexität dieser indirekten Emissionen gestaltet sich die Kontrolle als besondere Herausforderung. Eine erfolgreiche Dekarbonisierung erfordert die Einbindung einer Vielzahl von Stakeholdern und das Überwinden erheblicher Widerstände innerhalb der Lieferketten.
Welche Hebel stehen der Industrie zur Verfügung, um die Blockade zu überwinden?
Dekarbonisierung von Scope 3: buy less, buy better and engage suppliers
Es gibt vier zentrale Hebel zur Reduzierung der Scope-3-Emissionen im Upstream-Bereich:
Ein wesentliches Hindernis: Die Zurückhaltung der Lieferanten bei der Bereitstellung von Daten
Ist eine Kunden-Lieferanten-Beziehung bereits etabliert oder sind Produkte schwer ersetzbar, besteht der größte Handlungsspielraum darin, die Lieferanten in den Prozess der CO2-Reduktion – für die eingekauften Lieferungen – einzubinden. Dieser Prozess wird jedoch durch die Zurückhaltung vieler Lieferanten bei der Offenlegung sensibler Daten erschwert. Unternehmen befürchten, strategisch relevante Informationen über ihre Produktionsprozesse und Gewinnmargen preiszugeben, was ihre Verhandlungsposition gegenüber ihren Kunden schwächen könnte.
Zusätzlich stehen insbesondere kleinere Lieferanten vor der Herausforderung, die notwendigen Ressourcen für die Dekarbonisierung bereitzustellen. Aufgrund begrenzter Kapazitäten und mangelnder Datenqualität sind ihre Emissionswerte oft unvollständig oder gar nicht vorhanden. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass „große“ Lieferanten den Anfragen kleinerer Kunden nicht die notwendige Priorität einräumen.
Welche Lösungen gibt es, um Blockaden zu überwinden und Lieferanten zu mobilisieren?
Zur Steigerung der Rücklaufquote der Lieferanten und zum sukzessiven Aufbau einer vertrauensvollen und transparenten Beziehung lassen sich verschiedene Ansätze verfolgen:
- Auswertung von Meldedaten der Lieferanten
Viele Lieferanten beteiligen sich bereits an Initiativen wie dem CDP oder der Science Based Targets Initiative (SBTi). Die Nutzung der auf diesen Plattformen verfügbaren Daten bietet einen schnellen Überblick über die Emissionen der Lieferanten und reduziert den Bedarf an zusätzlichen Datenerhebungen signifikant.
- Fixierung der Kriterien „Transparenz und CO2-Bilanz“ in der Lieferantenbewertung
In einigen Fällen kann es zielführend sein, Lieferanten regelmäßig daran zu erinnern, dass eine einfache Mitteilung der entsprechenden Emissions- und Mengenfaktoren eine negative Bewertung im Rahmen der Einkaufsbewertung vermeiden kann. Dadurch können häufig erste Datenbereitstellungen gefördert werden.
- Identifizierung der richtigen Ansprechpartner und Anbieten eines Mehrwerts
Die Identifizierung der richtigen Ansprechpartner und die Sicherstellung einer Management-Ebene zwischen Kunden und Lieferanten zeigen die Bedeutung einer Anfrage. Die Managementeskalation kann helfen, um sicherzustellen, dass die richtige Funktion und Ebene auf beiden Seiten miteinander sprechen.
Gleichzeitig kann eine kostenlose Unterstützung der HSE (Health, Safety, Environment)-Abteilung bei der Bereitstellung von Tools, Schulungen oder Prozessen zur Emissionsreduktion einen erheblichen Mehrwert für den Lieferanten darstellen.
- Schätzung von Emissionen
Mittels der „Reverse Footprint Assessment“-Methode – vergleichbar mit dem mittlerweile klassischen „Reverse Costing“ – können Emissionen von Lieferanten auf Basis ihrer Produktionsprozesse und ihres Materialverbrauchs, auch ohne direkte Angaben abgeschätzt werden. Insbesondere durch konservative Annahmen kann dies eine Reaktion und letztlich eine verbesserte Datenqualität hervorrufen.
- Schaffen von (nicht finanziellen) Anreizen
Ein weiterer Hebel sind nicht finanzielle Anreize wie gemeinsame Kommunikationskampagnen. Die Anerkennung und Förderung von Initiativen der Dekarbonisierung können durch Zugang zu Netzwerken, erhöhte Sichtbarkeit und Medienpräsenz als positive Anreize wirken.
Die konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen zeigt, dass die Dekarbonisierung von Scope 3 nicht als bloße Pflichtaufgabe betrachtet werden sollte: Vielmehr stellt sie ein effektives Werkzeug zur Schaffung einer positiven Dynamik innerhalb der Wertschöpfungsketten dar. Über die unmittelbaren und dauerhaften Auswirkungen auf die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie hinaus eröffnet die Reduktion von Emissionen neue Perspektiven für Kooperation und Innovation.
Autoren: Maxime Bremond und Romain Grandjean